(Das Bild ist ein Geschenk von einem lieben Freund - danke Oli)
Verwitwet, Witwe, Witwer, Hinterbliebene...
Einer meiner hauptsächlichen Gründe für diese Homepage ist es, anderen Trauernden mit meinen Erfahrungen zu helfen, wieder in ihr Leben zurück zu finden. Seit der Entstehung dieser Homepage bekam ich schon viele liebe und nette "Danke-Mails" von anderen Trauernden, die gerade ihren Partner oder einen anderebn Familienangehörigen verloren haben und die sich hier in meinen Berichten über meine Trauer wiedergefunden haben. Aus diesem Grund denke ich, gehört auch die Erfahrung, über die ich nun berichten möchte, auf meine HP. Ich berichte hier über ein Gefühl, eine Empfindung, die ich unmittelbar nach dem Tod meines Mannes erlebte, was ich nie geglaubt oder geahnt hätte. So unmittelbar nach dem Tod meines Mannes wusste ich von all diesen fürchterlichen Gefühlen die mit der Trauer einhergehen wirklich nichts. Die Trauer um einen aus tiefstem Herzen geliebten Partner ist ein wenig anders, als wenn man einen anderen Familien - Angehörigen durch Tod verliert. Oh ja, ich habe auch meine Mutter verloren und ich weiß, welche Welt damals für mich einstürzte, wie unfassbar grausam und schlimm ihr Tod damals für mich war. Noch heute vermisse ich meine Mutter sehr und ich bin hin und wieder immer noch mal traurig, dass sie nicht mehr da ist, gestorben ist und wünsche mir in diesen Momenten der Traurigkeit nichts sehnlicher, als nur noch einmal mit ihr reden zu können, ihren Rat zu empfangen, ihre geliebte Stimme zu hören oder ihr noch einmal liebevoll, einfach nur so, ohne Worte, übers Gesicht zu streicheln, meinen Kopf stillschweigend an ihre Schulter zu legen, ihre Anweseheit zu spüren. Genauso geht es mir mit meiner verstorbenen Großmutter, die mit uns gemeinsam in der Familie, im Haushalt lebte. Aber der Tod meines Mannes war eine ganz andere Erfahrung, ich erfuhr einen völlig anderen, nahezu ohnmächtigen Schmerz. Obebendrein war noch etwas anderes mit dem Tod meines Mannes sehr, sehr schmerzhaft für mich: Ich wurde von einem zum anderen Tag plötzlich Witwe, Hinterbliebene genannt! Es war ein grausamer Stempel, der wie ein Brandzeichen auf meine schreiende und blutende Seele gedrückt wurde. Es fiel mir unglaublich schwer, den neuen "Familienstand" -wie es im Beamtenjargon heisst - anzunehmen und zu akzeptieren. Von einem zum anderen Tag war ich plötzlich vor den Behörden und sonstwo nicht mehr die Frau von Herrn XY, sondern nur noch die Witwe, die Hinterbliebene des Herrn XY.
Fast ahne ich jetzt das Erstaunen des Lesers dieses Berichtes, der glücklicher Weise den Tod eines Partners nicht erleben musste. Manch ein Leser wird vielleicht über diesen Bericht sogar ziemlich verwundert sein, weil dass doch für alle Menschen normal ist, dass man nach dem Tod eines Ehepartners zur Witwe oder zum Witwer wird.
Jedoch so mancher Ehepartner, der nach dem Tod seines geliebten Partners zurück blieb, hat sicherlich ähnlichen Schmerz bei der neuerlichen Titulierung seines Familienstandes empfunden, wie ich damals. Als ich zum ersten Mal, direkt nach dem Tod meines Mannes, mit der ab sofort geltenden Bezeichnung " Witwe" , konfrontiert wurde, schmerzte, ja verletzte es mich sogar ungemein. Wirklich, es grenzte in meiner eingestürzten Welt, in meinem Trauma, an zusätzlicher seelischer Grausamkeit, wenn ich mit dem Wort Witwe in Berührung oder Verbindung gebracht wurde. Ich WAR, WOLLTE! und WÜRDE für immer und allezeit die Ehefrau des Herrn XY...bleiben und nicht seine Hinterbliebene, die Witwe des Hern XY! Bis zu meinem eigenen Lebensende sollte das so sein, niemals würde ich die Witwe, die Hinterbliebene des Herrn XY sein! Ich verbot sogar allen Angestellten der Behörden, mit denen ich zu tun hatte um Regelungen nach dem Tode meines Mannes zu treffen, mit ernsthaftem Nachdruck, diese Bezeichnung "Witwe" oder "Hinterbliebene", niemals in meiner Gegenwart auszusprechen! Ich war und blieb die Frau des Herrn XY... das sollten sie alle endlich akzeptieren und sich gefälligst fest hinter die Ohren schreiben. Natürlich schauten diese mich völlig verblüfft und irritiert an. Der Titel "Witwe"machte mich damals unglaublich wütend und fühlte sich für mich wie eine richtige Beleidung, eine schmerzhafte Beschimpfung an. Wenn ich heute mit Abstand und nach all den vergangenen Jahren darüber nachdenken, vermute ich, dass diese Reaktion einfach zu einer dieser ersten Trauer-Phasen des "Nicht-wahr-haben-Wollens" gehört haben muss. Ich erinnere mich auch noch heute nur allzu gut, dass mich der Schmerz der mir bei Aussprache eines dieser beiden Worte jedes Mal durch den Körper fuhr, tatsächlich an den Rand des Wahnsinns brachte. Glücklicher Weise bin ich in der Bewältigung meiner Trauer heute, nach einigen Jahren so weit, dass ich mich zwar noch allzu gut an meine damaligen Empfindungen erinnere, aber mich inzwischen längst an die Worte Witwe und Hinterbliebene gewöhnt habe, denn das bin ich nun leider tatsächlich.
Es braucht viel Zeit für uns Hinterbliebenen, nicht nur den Tod des geliebten Partners zu begreifen und zu akzeptieren, sondern auch mit allen, mit diesem Tod einhergehenden Veränderungen klar zu kommen. Wir müssen erst langsam begreifen und lernen, dass man uns nach dem Tod unseres Partners als Witwe, Witwer, Hinterbliebene oder Hinterbliebener bezeichnet - ein gesetzesmäßiger Status, wie eine Brandmarke, ein neuer sehr, trauriger Familienstand, dem wir uns nach dem Tod unseres geliebten Partners nie mehr entziehen können.
Ich wünsche allen Hinterbliebenen viel Kraft, nicht nur ihre Trauer sondern auch ihren neuen Familienstand anzunehmen!