Herr Löffel und der Katzenbraten
Hier möchte ich eine Geschichte erzählen, die sich genauso zugetragen hat und mich in
liebevolle Weise an meinen geliebten Mann erinnert.
Es ist einmal eine etwas andere Geschichte aus Merlins Leben, vielleicht ein wenig zum Schmunzeln.....
Mein Mann und ich waren immer sehr tierlieb und immer wieder kam ich so zu dem "tollen Vergnügen", Tiere "zu retten", denen das Schicksal nicht so ganz hold war.
Eines Tages erweichte mein Mann mein Herz damit, ein kleines Hasenbaby aufzunehmen und ihm eine Überlebens-Chance in unserer kleinen Familie zu gewähren.
Mein Mann hatte es in einer kleinen Hobby - Zoohandlung entdeckt. Dieses kleine Häschen saß mitten im Winter sehr verängstigt in einem nicht gerade einladend aussehendem Schaufenster... ganz allein... ganz schrecklich einsam und so verlassen!
Mein Mann erzählte aufgeregt und lebhaft, voller Wut und Tatendrang und mit großer Überzeugungsarbeit von dem Hasenbaby. Er meinte, das kleine, winzige Baby sähe nicht gut aus, irgendwie richtig schwerkrank. Wenn wir es nicht nehmen würden, sei es dem Tod geweiht. Oh je…
Wirklich begeistert war ich natürlich nicht, denn schon unzählige Male zuvor hatte ich alle möglichen Tiere bei mir zu Hause "aufgepäppelt“. Es ist nicht nur mit einer unvorstellbaren Arbeit und Zeitaufwand verbunden, nein, irgendwann musste ich mich ja auch wieder von diesen Pflegekindern trennen, dann, wenn sie ihren "Kinderschuhen" entwachsen waren und zurück in die Natur oder zu anderen Leuten in einen Stall mussten. Das tat jedes Mal höllisch weh, eben Abschied nehmen.
Diese Trennungen, bedeutete für mich wirklich immer tagelange Trauer, mit allem drum und dran, denn mein Herz hing wie irre an "meinen Zöglings-Kindern". Nur einen kleinen Zoo konnte und wollte ich mir in der Wohnung beim besten Willen nicht einrichten.
Naja, ich ließ mich schlussendlich breitschlagen, all die Schilderungen und das Bitten meines Mannes hatten mein Herz erweicht.
Ach, ich konnte doch eh niiie Nein sagen in solchen "Notfällen" und so bekamen wir Familienzuwachs der besonderen Art.
So brachte mein Mann mir einen Tag später ein kleines Hasenbaby mit nach Hause. Ich bekam fast einen Herzschlag......das sollte echt ein Häschen sein???? Es sah wirklich sehr krank und erbärmlich aus.
Die Augen waren vom Eiter verquollen, es besaß kaum noch Fell (und es hatte schon einmal Fell, das zeigten einige wenige Stellen wo noch Fell zu sehen war) und es schnaubte röchelnd aus der Nase.
Es gab für mich nur einen Weg: Ich platzierte das Häschen unter meinem Pullover auf meiner Brust und wir fuhren sofort mit ihm zum Tierarzt.
Der Tierarzt meinte, das kleine Baby hätte keine Überlebens-Chance, da sei leider nichts mehr zu machen. Es sei wohl aus Profitgier viel zu früh der Mutter entrissen und die falsche Tierhaltung hätte ihm wohl den Rest gegeben. Das Häschen sollte eingeschläfert werden.
Dem Vorschlag widersprach ich nun vehement, denn das sollte schon etliche Male vorher bei einigen meiner anderen "Pflegekindern" gemacht werden, ob der geringen Überlebens-Chance. Doch bei mir bekamen sie ALLE eine Chance und die Hoffnung stirbt schließlich zu letzt. Ich hatte immerhin genug Erfahrung in den letzten Jahren gesammelt, was das Aufpäppeln von Tieren betraf und wirklich, jedes meiner kleinen "Pflegekinder" ist tatsächlich wieder gesund geworden und hat schlussendlich überlebt.
So setzte ich mich auch dieses Mal wieder durch und nahm das kleine Hasenbaby voller Überzeugung und festen Willens wieder mit nach Hause zurück. Vom Tierarzt ließ ich mir allerdings noch eine spezielle Aufzuchtnahrung und Vitaminpräparate geben.
Zuhause angekommen reinigte ich das kleine Häschen erst einmal ganz vorsichtig, damit es wenigstens von allem Kot und Eiter befreit war. Das Häschen war so winzig klein, meine Hand war fast zu groß.
Dann kam eine Prozedur auf mich zu, die mich manches Mal an den Rand der Verzweiflung brachte. Das Häschen musste mit einer kleinen Injektionsspritze ständig äußerst behutsam "gefüttert" werden. Das hieß 24 Std. am Tag, Tröpfchen für Tröpfchen mit höchster Vorsicht in die kleine Schnauze zu geben. Ich musste ständig für diesen Winzling mit einer Rundumpflege, da sein. Das hieß Augen säubern, füttern und dann in ein kleines Kistchen mit Heu, die von unten mit einer Wärmflasche warm gehalten wurde. Zudem studierte ich alles aufs intensivste, was ich über Kaninchen finden konnte. Ich kaufte Bücher, erkundigte mich bei Experten und belas mich im Internet, ohne Ende. So wurde ich ungewollt zu einer "Kaninchen/Hasenexpertin". Ich werde noch heute selbst von Tierärzten um Rat gefragt, was vor allem die Ernährung betrifft, weil das das größte Problem ist.
Natürlich bin ich während dieser Zeit aus dem Schlafzimmer ausgezogen, denn mein Erholungsschlaf bestand in der Zeit der Kaninchen-Baby-Pflege, nur immer in kurzen Etappen. Das bedeutete eine Unruhe sondergleichen und das wollte ich meinem Mann nicht zumuten.
Über eine gute Woche dauerte die schlimmste Prozedur, doch dann zeichneten sich deutliche Erfolge ab. Das Häschen wurde lebendiger und unternehmenslustiger. So packte ich es noch einmal zum Transport in einen kleinen Korb und fuhr mit ihm zum Tierarzt. Dieser traute seinen Augen nicht, ob meines grandiosen Erfolges.
Ja......und es wurde tatsächlich MEIN Hase, Merlins bester Freund, den er je in der Tierwelt hatte!!!
Ich taufte ihn auf den Namen "Bruno-Amadeus Löffel".
Der Name hat eine Bedeutung, ich habe ihn nicht nur einfach so ausgesucht, denn das habe ich nie bei meinen Tieren gemacht. .Ich habe ihnen immer erst nach einiger Zeit ihres Daseins in unserer Familie Namen gegeben. Die Namen ordnete ich dann ihrem Charakter zu, so besaß jedes Tier in meinem Haus seine individuelle Persönlichkeit.)
Nur um Brunos Namen jetzt zu erläutern, bräuchte es eine extra Geschichte, deshalb möchte ich es einfach dabei belassen.
Bruno- Amadeus Löffel wurde wie gesagt mein bester Freund. Er entwickelte sich in den folgenden Wochen zu einem wunderschönen Angora-Kaninchen, mit seidenweichem, langem Fell und ich wurde seine große Liebe.
Wo immer ich auch war, Bruno verfolgte und begleitete mich auf Schritt und Tritt. Hatte ich in der Küche zu tun, lag er auf einem kleinen Läufer und beobachtete mich wie ein kleiner Wachhund, er sah mich als seine Mutter an.
Vielleicht sollte ich doch für die Laien unter uns erwähnen, das Kaninchen vom Charakter her tatsächlich eine Mischung aus Hund und Katze sind. Ja, sie können wirklich eigenwillig und stur wie eine Katze sein, aber auch den Gehorsam eines Hundes an den Tag legen, wirklich mit allem drum und dran.
Tja.....und wenn ich es mir abends beim Fernseher gemütlich machen wollte, verstand Herr Löffel es, mich solange zu necken, bis ich mich endlich aufs Sofa legte, damit er sich, wie ein kleiner stolzer Löwe, gemütlich und breit oben auf meiner Brust platzieren konnte. Kraulte ich ihn dann noch, schnurrte er zufrieden und war wohl der glücklichste Hase der Welt.
Auch Hasen werden flügge und so verliebte sich Herr Löffel eines Tages in unsere Hündin Lissy. Lissy wurde jetzt mit größter Leidenschaft von Bruno-Amadeus Löffel gehegt und gepflegt. In unermüdlichem Fleiß wurden Lissy's Ohren geputzt, dann der ganze Kopf und was Lissy besonders liebte, war, wenn Bruno ihren Bauch putze.
Dazu legte Lissy sich dann lang auf den Rücken und Bruno stellte sich mit den Vorderläufen auf Lissy's Bauch und putzte sie überall ganz emsig. Manches Mal stieg Herr Löffel ihr sogar ganz auf den Bauch, saß da wie selbstverständlich und putzte sie mit liebevoller Intensität.
Ja......so zog die Zeit ins Land..... unser Leben normalisierte sich so langsam und Bruno wurde der kleine Star unserer Family.
Eines Tages, es war so um die Osterzeit, fragte mein Mann mich, was wir zu Ostern essen werden. Ich sagte, das sei mir egal, er solle sich aussuchen, wo immer er Appetit drauf hat, das würde ich ihm dann kochen......
Nein, keine Sorge... nicht meinen Bruno verdächtigen, ihn auf unserem Speiseplan wiederzufinden, das war ausgeschlossen.
Aber, in der Tat, mein Mann liebte Kaninchenbraten und so schlug er mir tatsächlich vor, zu Ostern doch einmal wieder Kaninchen zu essen....
Puh, das war seinerseits nicht gut überlegt. Es ging mir sehr unter die Haut, das ging mir sogar richtig zu Herzen! Das war unmöglich, das ging doch nicht, jetzt doch nicht mehr! Wo wir unseren geliebten Bruno als Häschen und Familienmitglied aufgenommen hatten.
Ich sagte zu ihm: " Sag, das ist doch wohl nicht dein Ernst???
" Wieso denn nicht, Merlin?" fragte er so ganz unbedacht zurück.
"Naja“, entgegnete ich ausgedehnt," meinst du ich bringe es fertig, Brunos Kumpel zu verspeisen, während er neben mir sitzt und zu schaut?"
Nein, mir wurde ganz anders bei der Überlegung,....ich musste mich in meiner Phantasie bremsen, bevor mir gänzlich schlecht wurde. Ich lieferte meinem Mann tausenderlei Bedenken ob seiner Essgelüste.
Irgendwie tat es mir dennoch leid, dass er seinen geliebten Hasenbraten nicht bekommen sollte. Und außerdem kauften wir zum Osterfest immer fertig geschlachtete Hasen. Also würde Bruno seinen Kollegen sicherlich nicht erkennen können.
Und dann viel mir etwas ein......
Wir schlossen einen Kompromiss, er sollte seinen Kaninchenbraten bekommen, wenn er dieses Gericht niiiiiie wieder Kaninchenbraten nennt.....es sollte aus unserem Wortschatz verbannt werden und zwar für IMMER!!!
" Ja, was soll ich denn dazu sagen? Wie soll ich dann das Gericht nennen?" fragte mich mein Mann.
"Weißt Du was...... sag von mir aus Katzenbraten.....sagen wir doch einfach, wir essen Ostern Katzenbraten......" schlug ich meinem Mann vor. Er willigte mit schallendem Gelächter ein, meinte, wenn es mir hilft und versprach mir hoch und heilig, niiiiiieeee wieder etwas von einem Kaninchenbraten zu erzählen. Eigentlich war es nur ein Scherz, denn wir hatten auch eine Katze, die zu uns gehörte und ich liebte sie sehr. Armer Kater Sylvester, ich hoffe er hat es nie gehört.
Aber wir scherzten weiter damit rum, dass wir Ostern einen Katzenbraten essen werden. So kam es, dass der Name Katzenbraten für dieses Osteressen einen festen Platz auf unserer Speisekarte bekam. Fortan redeten mein Mann und ich ziemlich albern, nur noch vom Katzenbraten.
Das hatte natürlich ungeahnte Folgen....
Jeder der bei uns anrief und fragte, was wir Ostern so machen, was wir essen werden, erfuhr sehr belustigt von mir, dass wir Katzenbraten essen..... Irgendwann hatte ich mich so daran gewöhnt, das ich mir schon gar nichts mehr dabei dachte, wenn ich unser Essen so nannte. Ich wurde sogar einmal gefragt, ob ich ein besonderes Rezept für Katzenbraten hätte (was wohl, wenn ich später darüber nachdachte, nur aus reiner Höflichkeit gefragt wurde)
So erklärte ich unbefangen, dass ich die "Katze" nach gründlichster Reinigung in Buttermilch mit Wacholderbeeren, Nelken, Piment, wenig Majoran, vielen Zwiebeln, Knoblauch, Salz und Pfeffer, einlege. Ich hörte nur noch ein kurzes...":Aha...." und zu meinem Erstaunen war das Telefongespräch schnell beendet. Mir fiel doch überhaupt nicht mehr auf, dass ich zum Graus aller, nur noch von einem Katzenbraten sprach.
Endlich war Ostern, die "Katze" schmorrte schön langsam im Backofen...und zur Mittagszeit schaute mein jüngster Schwager unangemeldet bei uns herein...
Spontan lud ich ihm zum Mittagessen ein, was er mit großer Freude, ob des feinen Essgeruchs, der sich ausgebreitet hatte, annahm.
Er dankte für die spontane Einladung und ruck zuck saß er auch schon am Tisch und harrte der guten Dinge, die aufgetischt wurden.
Gemütlich an der Tafel sitzend, schon beim Dessert angekommen, fragte er mich auf einmal:"sag mal......was war das eigentlich für ein Fleisch, das war ja so lecker...."
Ohne nachzudenken, sagte ich mit einer Selbstverständlichkeit und knappen Wort: "Katzenbraten....."
Oh je,...das hatte fatale Folgen.....
Mein Schwager wurde von einer zu anderen Sekunde kreidebleich, sprang vom Stuhl auf, rannte zum Bad....naja....mehr Muss ich wohl nicht sagen...
Mein Mann schaute mich erschrocken an und meinte...:"Mensch, Merlin, das musstest doch jetzt wirklich nicht sagen...." Ich war mir keiner Schuld bewusst und wusste tatsächlich nicht sofort, WAS ich falsch gesagt hatte, bis mein Mann schließlich meinte...:"Naja, wenn wir beide auch Katzenbraten dazu sagen, aber Du konntest doch jetzt einmal ausnahmsweise sagen das es sich um ein Kaninchenbraten handelt..."
Ach du liebe Zeit.....natürlich hätte ich das.......nur.....dieser von uns verwandelte Name des Menüs, in Liebe zu meinem Bruno, hatte sich dermaßen in meinem Kopf festgesetzt, das mir der richtige Name ferner war als alles andere auf der Welt.
Ja, so kam es, das später einerseits immer wieder über diese Geschichte gelacht wurde.....aber andererseits......es wurde aber auch immer wieder geulkt ob es eventuell, vielleicht nicht doch sogar.......
Naja, im Krieg sagten die Leute ja auch zu Kaninchen, die es nicht gab, an deren Stelle in der Hungersnot auch schon mal eine Katze geopfert wurde......Dachhasen......warum wohl? Weil es Katzenbraten war, so wurde ich immer wieder belehrt. Meine Güte, das finde ich sehr schrecklich, zum Glück musste ich keinen Krieg und solche Hungersnot erleben.
Übrigens, mein kleiner Freund Bruno starb im Alter von nur drei Jahren (Kaninchen können leicht 13 Jahre und älter werden) an den Folgen eines Augentumors, nachdem ich zwei lange Wochen tagtäglich den Tierarzt und die Tierklinik konsultiert und um sein Leben gekämpft habe.
Es war eines der traurigsten Verluste, die ich hinzunehmen hatte. Ich brauchte sehr lange um mich von ihm zu verabschieden, aber ich bin heute noch sehr dankbar, für die vielen wundervollen Freuden, die mir dieser kleine Kumpel bereitet hat. Auch meine Hündin Lissy trauerte regelrecht herzergreifend und sehr lange um ihren geliebten und treuen Freund Bruno-Amadeus Löffel.
In diesem Sinne
herzlichst Nati Merlin