Diese Geschichte bekam ich einmal in ähnlicher Form geschenkt. Der Verfasser des Originals ist mir unbekannt. Ich habe mir erlaubt, sie ein wenig umzuschreiben und hier zur Verfügung zu stellen.
Ora et Labora
Es war einmal ein sehr gläubiger Mann. Er lebte zurückgezogen und einsam in einem Wald, um dort in aller Stille Gott zu gedenken, aber auch deshalb, um nicht vom Bösen in der Welt verführt zu werden. Jeden Tag betete der Mann inbrünstig und andächtig zu Gott. Er betete Gott möge ihn in sein Herz schliessen und ihn eines Tages für seine Gottestreue liebevoll bedenken. Jahrein, jahraus, mehrmals täglich betete der fromme Mann und tat nichts weiter, als nach seinen Gebeten in den Tag hinein zu leben.
Eines Abends dachte er sich, so kann das nicht weitergehen, ich bete, hab mich Gott ergeben und nichts geschieht. Am nächsten Morgen, er kniete nieder und wollte gerade sein Morgengebet sprechen, da hört er, wie plötzlich jemand mit lauter Stimme seinen Namen rief. Erschrocken fuhr er zusammen und fragte: “Gott, bist du es?“
„Ja, mein Sohn, ich befehle dir, gehe in das Dorf, dort gehst du dann mitten durchs Dorf, bis ans andere Ende des Dorfes. Am Ende des Dorfes, hinter der alten Mühle, siehst du ein altes Bauernhaus. Klopfe beim Bauern an und bitte ihn um Unterkunft.“
„Dein Wille, sei mein Befehl HERR, doch sag, was soll ich dort?“ Er bekam keine Antwort, die Stimme war nicht mehr zu hören. Der gläubige Mann tat wie ihm befohlen und machte sich hoffnungsvoll auf den Weg. Sollte er nun endlich seinen Lohn von Gott bekommen, als Dank dafür, dass er jeden Tag zu IHM betete?Noch eiliger lief er den weiten Weg ins Dorf. Wie von Gott beschrieben fand er das Bauerhaus hinter der alten Mühle. Er klopfte an und der Bauer lud ihn ein, bei ihm zu wohnen, teilte ihm aber mit, dass er keine Zeit habe. Der Bauer sagte, dass er Felder beackern wird, das Vieh versorgen und viele Aufgaben mehr zu erledigen hat, doch nichtsdestotrotz dürfe der Fremde bei ihm wohnen. So ging der Bauer an jedem Tag an sein Werk und lies den gläubigen Mann allein im Haus zurück.
Der Bauer verliess mit Sonnenaufgang das Haus und kehrte erst zurück, als es schon längst dunkel war. Der Gläubige hingegen wartete Tag für Tag darauf, was Gott mit ihm nun vorhatte, denn es musste ja einen Grund geben, weshalb Gott ihn in dieses Haus sandte. Er betete wie er es schon im Wald getan hatte und lebte weiterhin in den Tag hinein.
Es waren etliche Wochen vergangen, nichts geschah, so sehr er auch wartete. Gott kam nicht um ihn zu belohnen. Der Mann wunderte sich indessen tagein tagaus über den Bauern und dachte mit Verachtung, welch armseliges Geschöpf der Bauer doch sei. Morgens bevor er zur Tür hinaus ging nickte er nämlich vor einer alten Kommode die nahe der Haustüre stand und abends, wenn er in der Dunkelheit zur Türe hereinkam, verbeugte er sich als erstes wieder vor der Kommode, bevor er in sein Schlafzimmer ging um sich zur Nachtruhe zu begeben.
Das ist doch ein schreckliches Leben, aufstehen, arbeiten, schlafen und jeden Tag das gleiche und dazu dieses dumme Kopfnicken vor der alten Truhe. Der Gläubige fand das dumm und fühlte sich zu Besserem berufen.
Seine Enttäuschung, dass Gott nichts mehr von sich hören liess wuchs allerdings mit jedem Tag mehr und so fragte er IHN eines Tages im Gebet, was das alles soll, wie lange er noch bei diesem Trottel verweilen müsse.
Tatsächlich antwortete Gott und sagte ihm, er solle sich einen Krug besorgen, diesen randvoll mit kostbarem Wein füllen und einmal damit durch das Dorf und über den nächsten Acker laufen ohne auch nur einen Tropfen des guten Weines zu vergiessen. Der Mann tat, wie ihm befohlen, in der Hoffnung dafür nun endlich von Gott seinen erhofften Lohn zu bekommen.
Wieder im alten Bauernhaus angekommen betete er und fragte Gott, was denn nun sein Lohn sei? „Du verlangst, dass ich dich belohne? Hast du mich während deiner dir aufgetragenen Arbeit denn auch nur einmal bedacht?“ fragte Gott.
„Herr, wie sollte ich an dich denken? Ich musste doch aufpassen, dass ich nichts vom kostbaren Wein verschütte.“
„Über den armen Bauern machst du dich lustig, ihn verachtest du, weil er täglich treu und fleissig seiner Arbeit nachgeht. Der Bauer bedenkt mich trotz seiner vielen Aufgaben die er täglich erfüllt. Er verneigt sich vor mir, morgens bevor er das Haus verlässt und abends verneigt er sich vor mir, bevor er sich zur wohlverdienten Nachtruhe begibt. Der Bauer hat mich trotz seiner schweren Arbeit nie vergessen und als du endlich einmal etwas getan hast, wo ich dir auftrug den Wein durch das Dorf über den Acker zu tragen, da hast Du mich vergessen. Du hast nur einmal in deinem Leben gearbeitet, doch genau da hast du mich auch schon vergessen. Du bist ein Nichtsnutz, du hast dein ganzes Leben untätig verbracht und dir fürs Nichtstun meinen Lohn erhofft.“
In diesem Sinne
Ora et Labora - bete UND arbeite,
herzichst
Nati Merlin